Donnerstag, 18. Juni 2015

Haydn, bis dass der Tod uns scheidet...

Oder: warum klassische Trompeter von heute nicht mehr um dieses Konzert herumkommen. 


Ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich das Es-Dur Trompetenkonzert -vorallem den ersten und zweiten Satz- von Joseph Haydn schon gehört habe. Sicher schon an die 200 bis 300 Mal. Und selbst gespielt? Da fehlt mir wohl mittlerweile jegliche Übersicht...
Wie kommt es aber, dass ein einzelnes Werk die Trompeterwelt so beherrscht und fast ausnahmslos an Probespielen, Wettbewerben oder Solokonzerten verlangt wird? Ist es so, dass wir Trompeter mit unserem recht überschaulichen Repertoire besonders an Wiener klassischen Werken einfach sonst keinerlei Auswahl haben um uns zu messen? Oder können wir einfach nur nicht genug von diesem einzigartigen Werk Musik bekommen? Oder liegt es einfach daran, dass Haydn mittlerweile zur Tradition geworden ist und niemand mehr etwas anderes hören möchte? 
Hier ein paar Antwortansätze einer haydngeplagten Trompeterin. 


Aus der Sicht eines Berufsorchesters: Wie finde ich den Kollegen, der von seinen Fähigkeit am besten zu uns passt? 

Das Probespiel. Eine weder bei Orchestern noch bei Kandidaten sehr beliebte Situation. Für das Orchester keine schöne Sache, da alle Mitglieder den ganzen Tag zusammen sitzen und sich im Schnitt (je nach Orchester natürlich) 40 bis 50 Kandidaten anhören müssen. Damit jeder die gleiche Chance auf die Stelle hat, natürlich jeder mit dem selben Werk. Das heißt für die Orchestermitglieder 50mal Haydn 1. und 2. Satz plus eigene Kadenz, also wenigstens ein wenig Abwechslung. 
Für den Kandidaten ist es eine ganz andere Tortur: Nervosität wie man sie meistens in anderen Situationen noch nicht erlebt hat, manchmal tagelang nicht geschlafen, ein flaues Gefühl im Magen... und dann muss man noch vor anderen Orchestermusikern in kürzester Zeit musikalisch perfekt und klanglich so spielen, dass die anderen davon überzeugt sind, dass gerade dieser Kandidat zu ihnen passen würde. 
Und genau hierfür braucht man ein Werk das Technik, Musikalität, Klang, Höhe, Ausdauer und eine Fähigkeit zum Orchesterspiel zeigen kann. 
Vor ca. 30 Jahren war übrigens nicht das Haydnkonzert Pflichtstück bei Probespielen, sondern der 1. und 2. Satz des Trompetenkonzert in "Es"-Dur von Johann Nepomuk Hummel. Wo Musikalität am besten zu zeigen ist, darüber lässt sich (sogar sehr gut) streiten. Der Haydn verlangt mehr Höhe und in der Durchführung auch mehr Kondition, während der Hummel im 2. Satz mehr Klangfarbe und Musikalität verlangt. Man hat sich jedoch gedacht, dass der Haydn bei den immer steigenden Anforderungen und den immer besser werdenden Trompetenstudenten einfach besser geeignet ist und in sehr kurzer Zeit eben zeigen kann, was ein Trompeter spielen kann. 


Und so zeigt der Haydn eben am besten ob ein Trompeter Signale spielen, musikalisch phrasieren kann, auf hohen Tönen mühelos einsteigen kann ohne zu kiesen, dynamisch nicht nur laut spielt, Basics beherrscht, der Anstoß zum Orchester passt, technisch schon ausgereift ist, konditionell das Stück auch durchsteht und natürlich auch, ob er für beispielsweise eine Mahlersinfonie auch die entsprechende Höhe hat (das Es''' am Ende der Durchführung). 



 Zwei Versionen sollte jeder Trompeter haben: Eine für's Probespiel und eine für's Solokonzert. 

 Da es bei einem Probespiel darum geht, möglichst fehlerfrei und orchestral den Haydn durchzuspielen, ist manchmal sehr wenig Platz für eine eigene Interpretation. Eine Probespielversion vom Haydn dürfte Zuschauer eines Solokonzertes auch kaum vom Hocker reißen (viel zu steril vielleicht gespielt). So muss man sich überlegen, wieviel Musikalität und Freiheit in einer Probespiel Version stecken darf. Hierzu ist es unglaublich wichtig einen guten Lehrer zu haben, der schon viele Probespiele hinter sich hat und auch genau weiß welche Spielart verlangt wird (die genaue Analyse davon würde wahrscheinlich den Rahmen meines Artikels sprengen).

Hier eine sehr schöne Solokonzertversion von Gabor Boldocski, mit dabei: Ein sehr interessantes Interview, Telemann und sogar der 2. Satz von Stanley Friedmanns "Solus" in dem der Trompeter ohne Rohr des 2. Ventiles spielen soll und damit einen Naturtrompeten ähnlichen Klangeffekt  erzeugt.


Beim Solokonzert darf man sich also Interpretatorisch allerdings aus dem Fenster lehnen und ordentlich austoben. :-) Wen es noch interessiert, hier noch ein paar Versionen vom Es-Dur Trompetenkonzert in Es-Dur:

Nur zwei Werke aus Wiener Klassik für die Trompete

Jeder Geiger schüttelt ungläubig und ein wenig mitleidig den Kopf, wenn er hört, dass für Trompete eben nur das Haydn- und Hummelkonzert für Trompete als Originalwerke aus der Wiener Klassik existieren. Gerüchten zufolge soll es vergraben in einem Archiv noch ein Konzert von Wolfgang Amadeus Mozart geben, absolute Belege dafür gibt es jedoch leider nicht. 
Aber wie kommt es, dass kein anderer Komponist sich scheinbar für die Trompete begeistern konnte? 
Das Haydnkonzert entstand 1796; zu dieser Zeit wurde die Klappertrompete von Anton Weidinger, einem Trompeter aus Wien (wo auch sonst in der klassischen Musikerwelt...) erfunden. Zum ersten Mal konnte man damit auf der Trompete nicht nur wie auf der bis dahin gespielten Naturtrompete die Obertonreihe spielen, sondern endlich (und das war damals ein richtiges Highlight) Chromatik! 
Und so schrieben Haydn und Hummel extra für Weidinger und seine Klappentrompete ihre Konzerte. Allerdings ließen sich die meisten Komponisten für die Klappentrompete nicht begeistern, blieben bei der Naturtrompete und kaum hundert Jahre später wurden auch schon die ersten Perinetventile erfunden, die die Klappen von Weidinger komplett verdrängten. Kleinere Werke für Klappertrompete gibt es, allerdings leider keine erhaltenen kompletten Konzerte. 
Hier ein Hörbeispiel einer nachgebauten Klappentrompete, zur Abwechslung mal mit dem 2. Satz von Haydn von Markus Würsch an der Klappentrompete und Peter Solomon am  Hammerklavier.



Die Kadenz: Zeit für seine persönliche Note!

Früher übrigens bis Beethovens Zeiten improvisiert soll die Kadenz am Ende des Hauptsatzes eines Konzertes dem Solisten die Möglichkeit geben nochmal seine Virtuosität zu zeigen. 
Später wurden Kadenzen dann von den Solisten aufgeschrieben und so gibt es auch für das Haydnkonzert noch sehr viele verschiedene Kadenzen die man so übernehmen kann. 
Die mitkomponierten Kadenzen gab es übrigens erst später in der Romantik und so auch in den meisten Werken für Trompete. 
Für Probespiele kann man also eine vorgeschriebene Kadenz nehmen oder eine eigene schreiben.
 In Puncto Regeln für das Kadenzen schreiben scheiden sich allerdings außer in diesen wenigen Regeln die Geister: Sie soll an das vorher gespielte anknüpfen, Motivik des Hauptsatzes aufweisen und am Schluss zur Dominante der Haupttonart zurückkehren. 


Zum Schluss noch ein paar Aufnahmen des Haydn Konzertes von Hardenberger und Maurice André. Viel Spaß damit!





Bis bald, 

Eure Mareike



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Mehr zum Thema Kadenz: https://de.wikipedia.org/wiki/Kadenz_(Instrumentalkonzert)
Mehr zum Thema Probespiele bei Das Orchester, Literatur, Probespielordnungen, Pflichtstücke, etc.: 
http://www.dasorchester.de/de_DE/infos/pr/index.html

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